Von den Anfängen bis heute
Das Pilgerhaus im Überblick
1850-1880: Gründung
1848 wird die Idee ins Leben gerufen, ein Rettungshaus zu gründen, „um der elenden Verwahrlosung und dem leiblichen und geistigen Zugrundegehen der großen Mehrzahl unehelicher oder verwaister Kinder“ Abhilfe zu schaffen. Wenig später wird die „Weinheimer Rettungsanstalt“ von Consistorialrat Eduard von Bahder mit sieben Jungen eröffnet, mit finanzieller Unterstützung durch den Fabrikanten Carl Johann Freudenberg, der damit eine andauernde Tradition des Hauses Freudenberg begründet. 1850: Ankauf des Geländes „Am Igelweiher“, wo heute noch das Pilgerhaus steht. Gräfin von Waldner aus Weinheim zahlt die ersten 1000 Gulden des Kaufpreises. 1851 wird Joseph Baumgartner erster Hausvater und betreut 40 Kinder. 1860 erfolgt die Zusammenlegung mit dem „Odenwälder Rettungshaus“. Das Haus bekommt in diesem Zuge den Beinamen „Pilgerhaus“.
1880-1914: Einrichtung des Hauses
1885 werden dem Pilgerhaus Körperschaftsrechte durch das badische Ministerium des Innern verliehen. 1902 wird ein neues Knabenhaus seiner Bestimmung übergeben.
1914-1925: Krieg und Inflation
Die Erziehungsarbeit wird immer schwieriger, da Lehrer und Gehilfen in den Kriegsdienst eingezogen werden. Auch nach Kriegsende bleibt es für das Haus schwierig, Personal zu finden.
1925-1934: Das Pilgerhaus wird größer
Nach dem ersten Weltkrieg bessert sich die Situation langsam wieder. Vergrößerungen und Modernisierungen des Hauses werden dadurch möglich. Die Pilgerhausfamilie wächst in dieser Zeit auf 90 Mitglieder.
1934-1950: Das Pilgerhaus in seiner schwierigsten Zeit
In den Jahren 1934/35 verwandelt sich das Haus zu einem Heim für 80 schulentlassene Jungen, die eine Ausbildung bekommen sollen. Die zu diesem Zeitpunkt im Pilgerhaus lebenden Kinder werden in andere Einrichtungen verlegt. In den Kriegs- und Nachkriegsjahren kommen immer wieder kranke und alte Menschen im Pilgerhaus unter. 1947 beschließt der Verwaltungsrat, das Haus wieder seiner ursprünglichen Bestimmung zuzuführen und Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter aufzunehmen. 1949 entsteht auf dem Sportplatz ein kleines Schulhaus.
1950-1975: Das Pilgerhaus erhält ein neues Gesicht
Die Jahre zwischen 1950 und 1975 sind von reger Bautätigkeit geprägt: 1959 wird der Neubau für ein Lehrlingsheim, inklusive Verwaltung und Festsaal eingeweiht. 1961-1963 erfolgt dann der Umbau von Stall und Scheune zu Wäscherei und Näherei. 1967 findet die Einweihung der Peter-Koch-Schule statt, die nach dem ersten Lehrer des Pilgerhauses benannt wurde. 1969 wird außerdem das jetzige Terrassenhaus in Form eines neuen Bubenhauses in Betrieb genommen. 1970-1974 wird ein Ferienhaus auf der Insel Neuwerk bei Cuxhaven errichtet, um dort Urlaube für die Bewohner zu ermöglichen.
1975-2000: Erweiterung der Aufgaben
Die Herabsetzung des Volljährigkeitsalters in Deutschland und der Ausbau der familienorientierten Hilfen führt zu einem drastischen Rückgang der Belegungszahlen im Bereich der Jugendhilfe. 1981/1982 öffnet sich das Pilgerhaus nach langen, intensiven Beratungen der Behindertenhilfe, heute Eingliederungshilfe. Die Zahl der Bewohner*innen steigt infolgedessen zügig an. In der Jugendhilfe macht sich zudem Ende der 1980er-Jahre eine Trendwende bemerkbar. Denn bedingt durch das neue teilstationäre Angebot, in dem junge Menschen in Tagesgruppen betreut werden, aber weiterhin in ihrem Zuhause wohnen, steigen die Belegungszahlen wieder an.
2000-2011: Modernisierung und Vernetzung
In den Jahren 2001 bis 2005 erfolgt ein Ausbau der Peter-Koch-Schule. Im Zuge dessen wird 2001 die erste Schulaußenstelle am Luise-Scheppler-Heim in Heidelberg eröffnet. 2005 folgen zwei weitere Standorte in Mannheim am Johann-Peter-Hebel-Heim (Mannheim-Nord) und am Schifferkinderheim (Mannheim-Süd). Hier wird parallel dazu auch jeweils eine Tagesgruppe der Jugendhilfe eingerichtet. 2004 startet das Projekt "Kunst und Diakonie". Das Pilgerhaus beginnt gemeinsam mit dem Gemeindebauverein Lützelsachsen regelmäßig Kreativ-Workshops für Menschen mit und ohne Behinderungen anzubieten. 2005 wird das "Hans-Werner und Josephine Hector"-Haus, kurz Hector Haus, eingeweiht. Der Neubau für die Eingliederungshilfe schafft neue Wohnplätze in vier Wohngruppen und kann dank der Spende der Hector-Stiftung realisiert werden. 2009 bringt eine grundlegende Satzungsänderungen die Trennung von Leitung und Aufsicht. Das Pilgerhaus wird nun von einem hauptberuflichen Vorstand geführt. In allen Bereichen finden personelle und strukturelle Veränderungen statt. 2010 wird das neue Außengelände vor der Peter-Koch-Schule gestaltet. Mit einem umfangreichen Bauprojekt wird in diesem Rahmen der Schulhof der Schule saniert und entsprechend den Bedürfnissen der jungen Menschen und Bewohner*innen neu gestaltet. Außerdem erfolgt die Einrichtung des Frühstückstreffs zur vorschulischen Betreuung der Schüler*innen an der Peter-Koch-Schule. Das Pilgerhaus feiert sein 160-jähriges Bestehen.
2012-2014: Neue Strukturen und Konzepte
2012 beginnen die Bauarbeiten für den Ersatzbau Haus A und Neubau Haus B in der Eingliederungshilfe, der 2015 eröffnet wird und insgesamt 33 Wohnplätze und 24 Plätze als Tagesstruktur für Senior*innen bietet. Das Großprojekt wird durch die Hector-Stiftung unterstützt. Die Peter-Koch-Schule erweitert ihr sonderpädagogisches Angebot durch eine Unterrichtsförderung an allgemeinbildenden Schulen. Außerdem gibt es neue Angebote in der Jugendhilfe zur Vormittagsbetreuung und der Begleitung externer Schüler. 2013 findet eine Umstrukturierung der Bereichsleitungen in Jugend- und Eingliederungshilfe statt. Das Pilgerhaus übernimmt die Psychologische Familien- und Erziehungsberatung (FEB) in Weinheim und eröffnet außerdem die Kinderkrippe "Mullewapp" mit einem Angebot einer Kleinkinderbetreuung für Kinder im Alter von 2 Monaten bis 3 Jahren. In Hemsbach wird die Inklusive Außenstelle Pilgerhaus als gemeinsames Angebot von Schule und Jugendhilfe ins Leben gerufen. Außerdem erfolgt eine Neuorganisation der Verwaltung. Ebenfalls startet das Inklusionsprojekt des Diakonischen Werks Baden in Kooperation mit dem Diakonischen Werk Heidelberg und den Kirchenbezirken Weinheim-Ladenburg und Heidelberg.
2015: Neue Herausforderungen
Die Gemeinschaftsinitiative "Kunst und Diakonie" zwischen dem evangelischen Gemeindebauverein Lützelsachsen und Pilgerhaus feiert ihr 10-jähriges Bestehen. 2015 wird das „H. W. & J. Hector Haus“ fertiggestellt. Wir feiern 10 Jahre Außenstelle der Peter-Koch-Schule in Mannheim-Süd. Das Pilgerhaus Weinheim feiert sein 165-jähriges Bestehen. Start der Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMA) am neuen Jugendhilfestandort Schafhof in Hemsbach.
2016: Inklusion verwirklichen
Einweihung der inklusiven Begegnungsstätte „Sonnenoase“. Das Nähprojekt „Für jedes Bett ein Quilt“ wird mit dem Diakoniepreis Baden 2016 ausgezeichnet. Daraus entwickelt sich in den folgenden Jahren die inklusive Nähmanufaktur Blauherz. Erweiterung der UMA-Betreuung an mehreren Standorten in der Region. Abschluss eines Inklusionsprojekts mit den zentralen Themen „Barrierefreiheit und Leichte Sprache“. Die Peter-Koch-Schule wird zu einem Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum mit dem Schwerpunkt soziale und emotionale Entwicklung (SBBZ esent).
2017: Barrieren abbauen
2017 wird das Zentrums für Inklusion (ZFI) gegründet: Das Bildungs- und Beratungszentrum unterstützt Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen und bietet ein vielfältiges Bildungs-, Vortrags- und Freizeitprogramm. Ergänzt wird es durch das Büro für Leichte Sprache. Der 20. Kunstaktionstag mit Horst Busse zum Thema "Erdfarben" hat stattgefunden. Am Pilgerhaus entsteht das erste FREIRAUM-Café. Es ist ein Begegnungsort der Mitarbeitenden für Austausch, mobiles Arbeiten und Pausen.
2018: Ersatzbau und Start-up
Die Inobhutnahme für Kinder in Notfällen "Gelbes Haus" entsteht. In der Elisabethstraße bezieht das ZFI seinen neuen Standort. Dort wird auch ein zweiter FREIRAUM eröffnet, in dem, vom ZFI organisiert, das monatliche Musikprogramm "Feierabend in der Elli" für Menschen mit und ohne Behinderung beginnt. Ebenfalls in der Elisabethstraße wird das Nähprojekt in Kooperation mit der studentischen Initiative Enactus e.V. zum inklusiven Modelabel BLAUHERZ. style without borders ausgebaut. Gleichzeitig beginnt ein Bauprojekt für den Ersatzbau der Wohngruppen 6/7 auf dem Hauptgelände. Weniger Bedarf für UMA-Betreuung.
2019: Neue Konzepte und Angebote
Erfolgreicher Abschluss des inklusiven Theaterprojekts "Keine Angst!" mit großer Aufführung in der Kulturbühne MAX Hemsbach. Kleine Inobhutnahme "Jona" für Kinder bis 6 Jahre als Ergänzung zum "Gelben Haus" geht an den Start. Grundsteinlegung für neues Wohnangebot "Haus im Feld" für Kinder mit Behinderungen in Heddesheim. Feierliche Einweihung des Ersatzbaus "Südliche Bergstraße" beim 169. Jahresfest. Neues intensivpädagogisches Angebot am Schafhof in Hemsbach startet mit den zwei Wohngruppen "Langstrumpf" und "Löwenherz" für 13 junge Menschen. In Mannheim-Franklin entsteht ein neuer Lernort der Peter-Koch-Schule.
2020: Pandemie
Das Jahr 2020 verläuft anders als erwartet: Geplant sind große Feierlichkeiten zum 170. Jubiläum des Pilgerhauses, darunter das erste inklusive Musikfestival "Fair All" und das große Jahresfest. Aufrgund des Corona-Virus fallen alle Veranstaltungen aus. Die Peter-Koch-Schule schließt Mitte März wegen der Pandemie und nimmt den Schulbetrieb erst nach den Sommerferien unter Auflagen wieder auf. Für die Eingliederungshilfe bedeutet die Pandemie große Sorgen und viele Einschränkungen. Trotz der Einschränkungen ziehen die ersten jungen Menschen im Juni in das "Haus im Feld" und leben sich dort gut ein. Das Haus bietet insgesamt 24 Wohnplätze für Kinder und Jugendliche mit geistigen und körperlichen Behinderungen zwischen 6 und 17 Jahren. Eine große Eröffnungfeier kann allerdings nicht stattfinden. Seit 2020 wächst das Angebot an Ambulanten Hilfen. Insbesondere durch die Nachwirkungen der Pandemie steigen die Zahlen an Schulbegleitungen, Erziehungsbeistandschaften oder Familienhilfen stark an, sodass dieses Feld zu einem eigenen Bereich am Pilgerhaus wird.
2021-2022: Einschränkungen und Krisen in der Welt
Bis ins Jahr 2022 leben wir mit den Auflagen der Corona-Pandemie. Insbesondere die Eingliederungshilfe ist von besonderen Vorsichtsmaßnahmen betroffen. Die Peter-Koch-Schule hat während der Pandemie eine Dreiteilung des Tages eingeführt: Der Tag in den Lerngruppen startet mit Unterricht durch die Lehrkräfte, am Vormittag kommen dann die Mitarbeitenden der Jugendhilfe hinzu für eine gemeinsame Betreuung, ehe mit dem Mittagessen das reine Jugendhilfe-Angebot beginnt. Mittlerweile gibt es am Pilgerhaus und in den Außenstellen 13 Tagesgruppen, zwei stationäre Wohngruppen, zwei Wohnguppen auf dem Schafhof in Hemsbach, zwei Wohngruppen im Haus im Feld in Heddesheim sowie zwei Inobhutnahmen.
Im April 2022 beginnen wir gemeinsam mit dem Rhein-Neckar-Kreis und der Stadt Weinheim eine Betreuung von vor dem Krieg in der Ukraine geflüchteten jungen Menschen mit ihren Müttern in der Jugendherberge Weinheim. Im November 2022 kommt dort erneut eine Inobhutnahme für unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA) hinzu.
2023-2024: Zurück zur Normalität
Bereits seit 2020 beschäftigt uns das neue Bundesteilhabegesetz (BTHG). Das stationäre Wohnen in der Eingliederungshilfe heißt nun Besondere Wohnformen, Betreutes Wohnen wird zu AWS (Assistenzleistungen im eigenen Wohn- und Sozialraum). Das BTHG legt den Fokus auf die Individuen, ein einrichtungszentriertes System wird so personenzentriert und auf die individuellen Bedürfnisse der Klient*innen abgestimmt. 2023/2024 wird in diesem Rahmen ein neues Abrechnungssystem der Leistungen eingeführt. 2023 gründet eine Tagesgruppe die Vivarium AG und pflegt und schützt vom Aussterben bedrohte Reptilienarten. Im Januar 2024 übernimmt das Pilgerhaus den Betrieb des Kindergartens "Sternschnuppe" in der Theodor-Heuss-Straße vom Postillion e.V. So gibt es nun auch ein Betreuungsangebot für Kinder zwischen 3 und 6 Jahren. 2024 kommt eine weitere Inobhutnahme für UMAs in Handschuhsheim hinzu.
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